Krankenhaus Ingelheim

80 Jahre Ingelheimer Krankenhaus. Ein Abgesang.

Jetzt war es nicht mehr zu retten. Nach jahrelangem Kampf und Investitionen von vielen Millionen Euro hat die Stadt Ingelheim keine Möglichkeiten mehr gesehen, den Betrieb länger aufrecht zu erhalten. Ein beliebtes Haus, in dem viele Ingelheimer geboren sind, verschwindet von der Bildfläche. Samt seinen sechs Intensiv-Beatmungsplätzen. Und das in Corona-Zeiten.

Offensichtlich bestand kein übergeordnetes öffentliches Interesse an einem Erhalt. Nach wie vor geht deutschlandweit der Trend zur Zentralisierung. Will heißen, jeder Standardfall wie Kreislaufkollaps, Unterzuckerung, Dehydrierung, Gallen- und Nierenkoliken, Magen-Darminfekte, Lungenentzündungen, Hexenschüsse, Blinddarmentzündungen, Knochenbrüche und Verletzungen verschiedener Art müssen in ein Krankenhaus mit Maximalversorgung gekarrt werden. Das trifft auch auf Palliativbehandlungen zu. Das ist wie wenn man die täglichen Einkäufe im Rolls-Royce erledigt. Aus langjähriger Notarzttätigkeit schätze ich, dass über die Hälfte der Krankenhauseinweisungen in regionalen Häusern gut und günstiger behandelt werden könnten.

Jeder, der schon mal in der Uni-Klinik Notaufnahme war berichtet von stundenlangen Wartezeiten und Betten auf dem Gang. Interessant ist, dass die Universitätsmedizin ihren jährlichen Fehlbetrag von zuletzt ca. 60 Millionen Euro wesentlich durch den wirtschaftlich nicht gedeckten Aufwand ihrer Notaufnahme begründet. Dabei ist die pflegerische Betreuung ein großer Schwachpunkt. Ein Grund für den raschen Rückzug aus dem Ingelheimer Engagement bestand wegen eigener Finanzierungsprobleme und damit Konzentrierung auf das ureigene Kerngeschäft. Nicht zuletzt der Sanierungsbedarf des Hauses (Legionellen, Brandschutz) spielte bis zuletzt eine Rolle. Schon zu Zeiten von Agaplesion Diakonie wechselten die Geschäftsführer halbjährlich, hochqualifizierte Ärzte wurden vergrault.

Die CCare hatte gute Konzepte, setzte sie aber nicht im Ansatz um. Nach der ersten Insolvenz ging das so weiter. Insolvenzverwalter und verschiedene Interimsgeschäftsführer haben keine zukunftsweisende Entwicklung auf den Weg gebracht.

Angestrebt von Stadtverwaltung und Rat war die Entwicklung eines sektoralen Gesundheitszentrum mit reduzierter Bettenzahl. Ein überaus zukunftsweisendes Konzept, für das man aber potente Partner bräuchte. Die Voraussetzungen waren nicht so schlecht. Immerhin verfügt das Krankenhaus über drei sehr moderne Operationssäle, eine leistungsfähige Radiologie, gut ausgestattete Intensivbetten u.s.w.. Leider hatten sich inzwischen Kosten in so unerwarteter Höhe angesammelt, dass keiner mehr die finanzielle Luft hatte, das Gefährt zurück auf die Schiene zu bringen.

Auch für die große Klinikgruppe, welche zuletzt eine Übernahme als Investor und Umwandlung in eine Spezialklinik angeboten hatte, war wohl eine verbindliche Zusage in der Eile der Entwicklung nicht mehr möglich. Sehr schade, war es doch eine expandierende Gruppe mit einer straffen Organisation in Verwaltung und Finanzierung, der prinzipiell als einzigen der bisherigen Investoren eine wirtschaftliche Sanierung zuzutrauen gewesen wäre. Beispielhaft ist das an anderen Standorten sehr erfolgreich gelungen.

Kritisiert wurde im Stadtrat die „Kommerzialisierung“ der Medizin. Und insbesondere die Tatsache, dass ein Personalabbau geplant wäre. Die Frage ist allerdings, ob ein Haus dieser Größenordnung wirklich 190 Beschäftigte und noch zusätzliche Leihkräfte, allein 40 im Bereich der Verwaltung benötigt. Bei einer Übernahme hätte es Weiterbeschäftigungen gegeben und Ingelheim hätte eine renommierte Klinik gehabt.

Ob die Totalliquidation der bessere Weg ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Jedenfalls hatte ansonsten keiner mehr die Kraft, die Durstphase bis zur Umwandlung des geplanten Konzepts finanziell zu überstehen. Sie würde Jahre dauern. Durch die komplizierte Abrechnungspraxis im Gesundheitswesen wäre selbst eine Verdopplung der Belegung durch massive Abschläge unrentabel gemacht worden.

Schade um unser Krankenhaus. Wir bedanken wie viele dankbare Patienten für die jahrzehntelange gute Betreuung und wünschen dem Personal, das trotz aller Widrigkeiten mit Herzblut bis zuletzt im Haus gearbeitet hat für die Zukunft alles Gute. Hoffen wir, dass die Stadt in Ingelheim-West ein neues großes intersektorales Gesundheitszentrum mit Bereitschaftspraxis und Notarzt etablieren kann. Die FDP Ingelheim wird sich dafür einsetzen.

Dr. Harald Weirich, Arzt und Stadtrat